»Ein Rind wird dir auf einsamen Feldern begegnen; es hat noch kein Joch zu spüren bekommen und noch nie den krummen Pflug gezogen. Laß dich von ihm führen. Wo es dann im Grase ausruht, sollst du Mauern bauen und sie nach dem Rinde benennen.«
Das Rind war bald gefunden, und Cadmus folgte ihm. Als es sich dann endlich im Gras ausruhte, wollte Cadmus ein Dankopfer bringen, und schickte Diener aus auf die Suche nach Quellwasser. Und sie fanden nicht nur eine Quelle:
Hier verbarg sich in der Grotte eine Schlange, die dem Mars heilig war. Ein goldener Kamm schmückt sie, Feuer sprühen die Augen, der Leib ist ganz von Gift geschwollen, drei Zungen blitzen hervor, in drei Reihen stehen die Zähne da.
Kurz - keiner der Krieger überlebte. Der besorgte Cadmus suchte seine Kameraden, traf auf den Drachen und schwor Rache.
Athene aber befahl dem Cadmus, die Zähne des Drachen zu säen als Keim seines künftigen Volkes. Die Saat ging auf, und stattliche Krieger entstiegen dem Acker. Doch sie töteten sich gegenseitig. Nur fünf überlebten. Gemeinsam mit diesen gründete Cadmus die Stadt Theben.
Später hatte sich Cadmus mit dem Kriegsgott versöhnt. Er heiratete Harmonia, Tochter des Mars und der Venus. In hohem Alter verliess er Theben. Und als es sich seiner Jugendtaten erinnerte, meinte er:
»War etwa jene Schlange, die mein Speer durchbohrte, heilig, damals, als ich, aus Sidon kommend, die Drachenzähne als neuartige Saat auf den Boden streute? Rächt die Vorsehung der Götter diese Schlange mit so unerbittlichem Zorn, so bitte ich darum, selbst zur Schlange mit langgestrecktem Bauch zu werden.« Sprachs, und wie eine Schlange streckt er sich in die Länge, fühlt, wie auf seiner hart gewordenen Haut Schuppen wachsen und seinen Leib, der sich schwarz färbt, blaue Tupfen beleben. Vornüber fällt er auf die Brust, die Schenkel schließen sich zusammen und verjüngen sich allmählich zur Schwanzspitze.
Auch Harmonia wurde zur Schlange. Heute noch fliehen sie nicht vor Menschen, tun ihnen
nichts zuleide und erinnern sich als zahme Drachen daran, was sie früher gewesen sind.
Quellen:
Zitate aus:
Abbildung aus
P. Ovidius Naso (43 v. - 17 n. Chr.): Metamorphosen. - übertragen von M. v. Albrecht,
Goldmann Klassiker Bd. 7513, 480 S., München (Wilhelm Goldmann Verlag),
1981 / 1988.
Vollmer (1874): Wörterbuch der Mythologie. 3. Aufl., LXX & 456 S., Stuttgart (Hoffmann'sche
Verlagsbuchhandlung). - 7. Reprint 1990, Zentralantiquariat der DDR, Reprintverlag Leipzig;
Ausgabe für Fourier Verlag, Wiesbaden.
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last update 11.08.1997