Der Heilige Georg - in der Legende auch Jörg
genannt - ist als Drachentöter bekannt. Doch wer kennt seine Geschichte wirklich? Sicher existieren
mehrere Versionen der Legende. |
Da kam Sankt Jörg dort her
geritten zu ihrem Glück, und als er die
Jungfrau weinen sah, da sprang er von dem Pferd
und ging zu ihr. Und da er ihre Schöne und
reiche Zier an sah, da ward ihm leid um sie, und
fraget, warum sie betrübt wäre. Da
sprach sie: "Herre, sitzet bald auf Euer Pferd
und fliehet, oder Ihr sterbet mit mir!" Da sprach
Sankt Jörg: "Edele Jungfrau, saget mir, was
Euch sei!" Da sprach sie: "Herre, ich muss hie
sterben, denn man hat mich dem Drachen gegeben.
Der wird bald aus dem Wasser kommen, und frisset
er mich und Euch!" Da sprach Sankt Jörg: "Habet
ganzen Trost zu mir; ich will Euch helfen in dem
Namen Gottes!" Und als er das gesprochen hatte, da
kam der Wurm aus dem Wasser. Da erschrak die
Jungfrau.
Da Georgius den Drachen sah, sprang er
auf sein Pferd und machet ein Kreuz vor sich und
ritt bald gegen ihn. Und stach den Wurm mit dem
Speer, da fiel der Wurm nieder. Da sprach er zu der
Jungfrauen: "Gehabt Euch wohl, denn Euch geschiehet
nichts. Und nehmet Euern Gürtel und leget ihn
dem Drachen kühnlich an den Hals; so wird Gott
viel grosses Wunder erzeigen." Da nahm sie
den Gürtel und schlug ihn dem Wurm um den
Hals und führet ihn mit sich in die Stadt.
Da fürchtet sich das Volk, und schrien und
flohen alle. Da sprach Sankt Jörg: "Bleibet
hie, denn mich hat Jesus Christus zu euch her
gesandt, dass ich euch erledige von dem Drachen.
Darum glaubet an Gott, und empfanget die Tauf! Tut
ihr das, so schlag ich den Drachen zu Tode." Da
schrien sie all: "Wir wöllen es gern tun."
Da schlug Sankt Jörg den Drachen tot mit der
Hülf Gottes.
König und Volk waren dem Helden sehr zu Dank verpflichtet. Und Sankt Jörg predigete von Gott und taufte den König, dessen Tochter und viel Volk. Der Monarch versprach ihm grossen Reichtum, doch Georg spendete diesen den Armen. Da liess der König ein Münster erbauen, Unser Lieben Frauen zu Ehren. Und beim Altar entsprang ein klares Wasser. Die Quelle aber hatte grosse Heilkraft. Später zog Sankt Georg weiter, um Anderen das Heil zu predigen.
Diese Legende zeigt viele Parallelen zur
Geschichte der Heiligen Martha:
Der Drache weicht der Gewalt des Kreuzes, er wird von einer
Jungfrau am Gürtel in die Stadt geführt und
dort erst erschlagen. Durch die Heldentat des/der Heiligen
wird das Volk von der Allmacht Gottes über das
Böse überzeugt.
Vermutlich war Georg der ältere Drachenbezwinger. Später wurde die Königstochter selbst zur Heiligen. Ein männlicher Retter war nicht mehr von Nöten: Auch Frauen konnten mit der Hilfe Gottes Wunder vollbringen. |
Zitat aus:
NN: Von Sankt Jörgen. - in: Das Leben der Heiligen.
Eine Auswahl aus der ältesten deutschen Druckausgabe
von Heiligenlegenden »Das Passional«. -
insel taschenbuch 892, 313 S. (163-181),
Frankfurt a/Main (Insel Verlag), 1986.
© MCMXCVII by J. Georg Friebe
& Vorarlberger Naturschau, Dornbirn (Austria)
last update 22.09.1997