Wo heute der Hügel ist, stand vor Zeiten ein reiches Bauernhaus, umgeben von einem schönen Feld. Da kam einmal ein unbekannter Bettler und bat den Bauer um ein Almosen. Der aber war geizig und hatte kein Herz und wies dem Bettler die Türe. Da drehte sich das unbekannte Männlein noch einmal um und sagte mit drohender Miene: "Warte nur, ich werde dir dafür etwas bringen."
Kaum war das Männlein verschwunden, so schwärzte sich der Himmel. Bald hörte man vom Gebirge her, aus dem Gräfentobel herab, ein fürchterliches Tosen, und ehe man es sich versah, schoss das Wasser in Strömen aus dem Tobel und führte grosse Steine und Tannen mit und überschwemmte und überschüttete die Felder.
Mitten in den tobenden Fluten erschien das unbekannte Männlein mit einem grossen Drachen, den es an einer roten Schnur führte, und blieb ober dem Haus des Bauern stehen. Der Drache stiess alle vom Wasser herabgerollten Felsblöcke und Baumstämme mit seinem Schwanz gegen das Haus des Bauern, so dass es mit Mann und Maus verschüttet wurde und noch ein ganzer Hügel sich drüber häufte.
Nachdem das Männlein so die Lieblosigkeit des geizigen Bauern vergolten hatte, führte es zur grössten Verwunderung der Leute den Drachen an der roten Schnur mitten durch das Dorf hinab, schlug den Weg gegen Andelsbuch ein und verschwand. Keine Seele konnte erfahren, woher das Männlein gekommen und wohin es mit dem Drachen gezogen sei. Der Jolerbühel aber breitet sich mit seinem langgestreckten Rücken noch jetzt mitten im Felde aus als Beispiel und Warnung, wie Hartherzigkeit und Geiz zuweilen schon auf Erden bestraft werden.
Ein Geissbub hat das oft probiert und hat etlichemal blinkende Biessle (Zehnkreuzerstücke) und Batzen darunter gefunden. Des Geisslers Vater stach das schöne Geld in die Augen und er kroch auch einmal unter den Heerahus-Stee. Aber da entstand ein fürchterliches Wetter, es donnerte und blitzte und es regnete, was heruntermochte. Der Bach ging haushoch und wälzte gewaltige Rüfemassen vor sich her, so dass der Geldsucher die höchste Zeit hatte zu fliehen.
Seit der Zeit ist die Höhlung unter dem Heerahus-Stee verschwunden. Ein fahrender Schüler hat dort einen Schatz verborgen und ein Drache hütet ihn. Der Drache ist es auch, der die entsetzlichen Wetter macht, die das Tobel noch heutigstags durchtoben.
Es geht auch die Prophezeiung, der Drache werde
einmal das Tobel hinausfahren bei einem solchen
Unwetter, dass Laz, Gampelün und Gadon und
die ganze Gegend glauben, es sei der Welt Ende
gekommen. Wen es dann auf der gedeckten Brücke
in Feldkirch zu stehen leide, der werde steinreich
werden.
Endlich kam ein Fahrender. Er versprach Hilfe, aber die sei ebenso grässlich als gründlich. Dennoch verlangten sie die Leute. "Wollt ihr, dass ich den Drachen durch Feuer oder Wasser töte?" da kratzten die Bauern sich hinter den Ohren und hielten Rat. Die Macht der Wildbäche und Rüfen kannten sie, aber das Feuer mochte noch fürchterlicher sein. Daher entschieden sie sich für das ihnen bekannte Übel, aber was eintrat, das hatten sie doch nicht geahnt.
An einem Abend kam das Unglück: ein Blitzen, dass das Tal fast nicht mehr dunkel wurde, ein Donnern und Tosen, wie wenn das Gewölbe des Himmels zusammenfiele, ein Giessen und Schütten, als ob das Wasser aus Eimern geworfen wurde. Am ärgsten kam's vom Grassen her, so dass unten die Anwohner aufgeschreckt wurden und auf die andere Talseite flüchteten. Und sie taten recht.
Gegen Mitternacht wurde das Rauschen und Rollen noch ärger und man sah im Schein der Blitze, wie sich drüben in der Höhe, wo der Drache hauste, der Wiesenhang aus dem angrenzenden Waldsaum loste, Wasen und Wasser, Bäume und Steine wirbelnd sich herabwälzten und mitten drin, sich ringelnd und fauchend der schreckliche Wurm. Da auf einmal ein grelles Aufblitzen, ein schranzender Schlag in diesen Morast hinein und dann tiefschwarze Nacht. Man hörte das Donnern kaum noch, desto lauter aber das Heranpoltern der Rüfe, die einen stiebenden Erddampf vor sich her trieb. Je näher, um so breiter und langsamer kam sie, bis sie zum Bache herabbrach und das Bett auffüllte und an das Ufer schlug, über dem die Flüchtlinge gekauert harrten.
Bis in den Tag hinein blieb es stockfinstere Nacht, und als es hellte, war der Jammer noch grösser ob des schrecklichen Anblickes. Im ganzen Tal, soweit man sehen konnte, hatte das Wetter arg gehaust, am meisten aber am gefürchteten Berg. Wo früher ein Bergweg gewesen, sah man eine Mulde mit neugeschlagenem Tobel und drunter herab alles überwüstet bis zum Bach, vom Mühlbächlein herein bis zur Kirche, die war mit Geröll ganz umschlossen und weiter gegen die Tschapina lag Stein auf Stein. "Das ist das Drachengrab", sprachen die Männer ernst zu Weib und Kind. Der fahrende Schüler aber war verschwunden.
Quellen:
VONBUN, F.J. & BEITL, R.: Die Sagen Vorarlbergs. Mit Beiträgen aus Liechtenstein. - 308 S., Feldkirch (Montfort-Verlag) 1950. Nachdruck Bregenz (Franz-Michael-Felder-Verein) 1980.
BEITL, R.: Im Sagenwald. Neue Sagen aus Vorarlberg. - 464 S., Feldkirch (Montfort-Verlag) 1953. Nachdruck Bregenz (Franz-Michael-Felder-Verein) 1982.